Seit die Fitnessindustrie in den 70er-Jahren des letzten Jahrtausends Einzug in unsere Gesellschaft gehalten hat, war sie von permanentem Wandel geprägt. Zum klassischen BodyBuilding gesellten sich Cardiobereiche, um mehr weibliche Teilnehmer in der doch sehr maskulin geprägten Branche anzusprechen. 1987 präsentierte Johnny G. der Aerobicwelt SPINNING®, woraus sich 2006 Soul Cycle, das wohl erfolgreichste Indoorcycling Boutique Konzept entwickelte. Im Jahr 2000 erblickte CrossFit die Welt und wirbelte den Fitnessmarkt ein wenig auf. Nach und nach entwickelten sich in vielen Bereichen rund um Fitness kreative Konzepte, die sich heute massiv von traditionellen Fitnessstudios abheben: Von Yoga und Pilates über Ballett (Barre) zu Zumba und von Fitnessboxen zu Functional Training und HIIT. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Das 2010 gegründete Franchise Unternehmen „Orangetheory Fitness“ zeigt mit jetzt mehr als 1000 Standorten das enorme Wachstumspotential dieser ehemaligen Nische. Crossfit bringt es sogar auf über 15.000 Studios weltweit. Allein 2018 kamen etwa 2500 hinzu. Mittlerweile sind etwa 25% der Fitness Clubs in den USA Boutique Studios. Im November letzten Jahres wurden in London 278 Boutique Clubs gezählt. Die Niederlande sind zurzeit der Vorreiter auf dem europäischen Kontinent. Nach dem am 01.09.2019 von BlackBoxPublishers veröffentlichten Markforschungsbericht gibt es in den Niederlanden zurzeit 2101 Boutique Studios. Den größten Anteil haben Yoga Studios, gefolgt von Box Clubs. Mitglieder von Boutique Studios in Amsterdam besuchen diese durchschnittlich 8-mal pro Monat. Etwa die Hälfte von ihnen sind zusätzlich auch Mitglied in einem traditionellen Fitnessstudio. 

Boutique Fitness ist mehr als nur Fitnesstraining. Boutique Fitness ist Life Style unter Menschen mit den gleichen Wertvorstellungen und Vorlieben. Die New York Times brachte dies mit der Überschrift „Boutique Fitness is the new going out“ auf den Punkt und The Guardian beschrieb es so: “Squat party: how the gym became the new nightclub”.

Wenn man sich die weltweite Umfrage zu Fitnesstrends von ASCM, Thomson, 2018 anschaut, lässt sich ablesen, woher dieser Boom kommt:

-HIIT
-Gruppentraining
-Fitness Tracker
-Bodyweight Training
-Krafttraining
-Aus- und Weiterbildung von Trainern
-Yoga
-Personal Training
-Fitnessprogramme für ältere Erwachsene
-Functional Training

Abgesehen von Nummer 3, sind dies alles Punkte, die in Boutique Konzepten umgesetzt werden.

Boutique Fitness trifft den Zahn der Zeit und spricht vor allem die Millennials und die Generation Z an. Beleuchtet man das System dahinter, sehen wir, was den Unterschied ausmacht.

Boutique Studios fokussieren sich auf ein oder wenige Programme und bieten ein Höchstmaß an Service. Sie verfügen über herausragende Trainer und eine erstklassige Ausstattung. Das Training findet immer in Gruppen und nach einem festen Stundenplan statt. Auf diese Art und Weise finden sich Gleichgesinnte in einer starken Gemeinschaft zusammen, die eine außerordentliche Treue zur Marke entwickeln. Boutique Studios präsentieren sich als die Experten in ihrem Bereich.

Einmal angenommen, Sie haben sich den Fuß gebrochen. Zu welchem Arzt gehen Sie lieber? Zum Orthopäden Praxis Dr. Müller oder zu Dr. Meyer, Facharzt für Fuß- und Handchirurgie? Natürlich zum Topexperten für Ihr Problem. Jetzt kostet dieser aber einen Privatanteil von 20%. Die meisten Menschen würden das gerne in Kauf nehmen, weil sie sich hier auf der sicheren Seite fühlen und Qualität hat nun einmal ihren Preis. So erklärt sich auch, warum das hochpreisige Geschäftsmodel von Boutique Studios sehr gut funktioniert. Wer etwas auf sich hält und das nötige Kleingeld dafür zur Verfügung hat, geht lieber zu 1Rebel als zum Fitness Discount YZ.

Der durchschnittliche Preis für die Teilnahme an einer Boutique Fitness Class in London liegt bei umgerechnet 18-25€. Die meisten Studios bieten vom Einzelticket bis zur Jahresmitgliedschaft verschiedene Optionen an. Während in Deutschland fast ausschließlich Verträge mit Mindestlaufzeit angeboten werden, sind diese in der Boutique Fitness Szene so gut wie unbekannt. Mal Hand aufs Herz: Wer unterzeichnet schon gerne langfristige Verträge, die sich automatisch verlängern, wenn man nicht x Monate vor Ablauf fristgerecht kündigt? Dann doch lieber ein paar Euro mehr investieren, aber dafür grenzenlose Freiheit haben.

Die nächste Zutat zum Erfolgskonzept von Boutique Studios ist eine ausgefeilte Customer Journey Strategie. Die Berührungspunkte, sogenannte Touch Points, sind vom Erstkontakt über die Buchung, den Empfang im Club, das Trainingserlebnis und die kurz nach dem Verlassen des Studios versendete Dankes- und Bewertungs-E-Mail perfekt geplant. Der Fokus liegt auf dem Einsatz von Social Media. Sowohl das Studio selbst als auch die Trainer zeigen sich äußerst professionell darin, ihre Zielgruppe nachhaltig zu bedienen. Kreativität und Humor schaffen die gewünschte Aufmerksamkeit und ausgefeiltes Story Telling erzeugt die Bindung zur Marke. Trainer werden zu Rockstars und wirken so zusätzlich als Markenbotschafter und Kundenmagnet. Der Einsatz von Social Media führt zur Homepage, die wiederum über moderne Buchungssysteme zum Kaufabschluss einlädt. Betritt man nun den Boutique Club seiner Wahl, wird man freundlich und zuvorkommend in Empfang genommen. Handtuchservice und mit Logo versehene Wasserflaschen gehören hier zum Standard. Viele Fitness-Boutiquen haben eine eigene Bekleidungskollektion oder Gastronomiebereiche, die das Fitnesserlebnis ergänzen.

Die Liebe zum Detail, das permanente Streben nach Perfektion und die Fokussierung auf den Kunden sind die Punkte, die traditionellen Fitness- und Gesundheitsclubs in Deutschland übernehmen können, um von der Erfolgswelle der Boutique Clubs zu profitieren.

Im Detail könnte das bedeuten, das Design der Fitnessanlage zeitgemäß zu gestalten. Das nostalgische Flair von grauem Teppich, weißen Wänden und Neonlicht ist genauso verflossen wie gemischt genutzte Kurzräume mit bunten Vinyl-Hanteln, Gymnastikbällen auf Wäscheleinen und Trampolinen in der Ecke. Mit geringem Kapitaleinsatz lässt sich mit Lichteffekten und Unterteilung des Fitnessstudios in verschiedene Themenzonen, die die Liebe zum Detail erkennen lassen, oft mehr erreichen als mit der Anschaffung neuer Geräteparks.

Nicht zu unterschätzen ist der Faktor Mensch, denn die Trainer und das Servicepersonal beeinflussen den Erfolg des Unternehmens enorm. Ein freundliches Lächeln kombiniert mit der Begrüßung „Hallo Lena, schön das du heute bei und bist“ setzt sofort positive Emotionen frei und gibt dem Mitglied das Gefühl, willkommen zu sein. Trainer können nach ihren Fitnessvorlieben in den jeweiligen Bereichen, an denen ihr Herz hängt, eingesetzt werden. Ein Trainer, der in seiner Freizeit Triathlon macht, ist wahrscheinlich als Head of Cardiofitness motivierter als im Freihantelbereich, um Bodybuildern Tipps beim Bankdrücken zu geben.

Mal angenommen, die klassische Multigym Anlage wäre ein Warenkaufhaus wie Karstadt oder Kaufhof und Boutique Studios sind stylische kleine Kaffees oder Modeboutiquen, dann könnten doch Fashion Outlets das Vorbild für das erfolgreiche Multigym 2025 sein.

By: Marcus Schmidt | Sales Germany, Core Health & Fitness GmbH

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